Mitte Juli – zu Beginn der sitzungsfreien Zeit – und damit direkt nach dem Debakel um die abgesagte Wahl der Bundesverfassungsrichter*innen, reisten mein Fraktionskollege Dr. Till Steffen und ich nach Washington D.C. und New York.
Anlass der Reise waren die jüngsten Entwicklungen in den USA im Bereich der Justiz, die uns auch in Deutschland Anlass zur Sorge geben sollten. Wenn in einer der ältesten Demokratien der Welt die unabhängige Justiz unter Druck gerät, müssen wir besonders wachsam sein. Wir beobachten in den USA, dass Politiker*innen Richter*innen diffamieren.[1] Gerichtsentscheidungen werden zum Teil delegitimiert oder bewusst ignoriert.[2] Neubesetzungen in der Justiz und im Justizministerium sollen erklärtermaßen jetzt nur noch mit politisch genehmen, „juristischen Kriegern“ erfolgen.[3] Missliebige Anwälte und Anwältinnen bzw. deren Kanzleien werden von der Regierung durch präsidiale Erlasse eingeschüchtert.[4]
Im Zuge der Reise konnten wir uns mit einer Vielzahl von spannenden Gesprächspartner*innen austauschen.
Wir trafen vier Kongressabgeordnete der Demokratischen Partei, die sich im Rechtsausschuss des House of Representatives mit Trumps Angriffen auf den Rechtsstaat beschäftigen (Steve Cohen, Mary Gay Scanlon, Dan Goldman, Becca Balint). Sie berichteten uns insbesondere von ihren Sorgen vor einer zunehmenden Politisierung der Justiz. Wir hatten die aus politischen Gründen gescheiterte Wahl der fachlich hochanerkannten Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf als Bundesverfassungsrichterin noch unmittelbar vor Augen. Auch schilderte gerade der langjährige Abgeordnete Steve Cohen, wie sehr sich das politische Klima in den USA unter Trump verschlechtert hat.
Ein konservativer Bundesrichter berichtete uns von den unmittelbaren Folgen polemischer Attacken von Trump und anderer republikanischer Politiker*innen auf ihn und seine Kolleg*innen: Sie erhalten anonyme Gewaltdrohungen. Der Richter selbst war nach Entscheidungen gegen Maßnahmen von Trump ins Visier geraten. Dennoch zeigte er sich optimistisch, dass die Justiz weiterhin Trumps schlimmste Ideen stoppen könne.
Wir trafen uns auch mit Vertreter*innen von verschiedenen anwaltlichen Berufsvereinigungen und mit Kanzleien, die von Trumps Einschüchterungsversuchen konkret betroffen sind. Einige betroffene Kanzleien sind daraufhin „Deals“ mit der Regierung eingegangen, andere haben erfolgreich dagegen geklagt. Uns machte zumindest Mut, dass die wehrhaften Kanzleien nunmehr deutliche Vorteile im Werben um Arbeitnehmer*innen haben und zum Teil auch Mandanten dazu gewannen. Wer will auch schon von einer Kanzlei vertreten werden, die in eigener Sache nicht kämpft, sondern einknickt?
Mit Vertreter*innen der NGOs „American Civil Liberties Union“ und „Democracy Forward“ diskutierten wir über strategische Klagen gegen politische Projekte der Trump Regierung als Mittel progressiven Widerstands. Mit der NGO „Society for the Rule of Law“ sprachen wir über die notwendige Bildungsarbeit im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Die „Society for the Rule of Law” ist ein Zusammenschluss konservativer Jurist*innen, die sich gegen Trumps Attacken auf die Justiz und den Rechtsstaat engagieren.
Durch unsere Reise in die USA konnten wir Parallelen zu Deutschland und Europa entdecken. So müssen wir auch innerhalb der Europäischen Union einen politischen Umgang mit den Angriffen auf rechtsstaatliche Prinzipien (wie zum Beispiel in Ungarn oder der Slowakei) finden. Auch in Deutschland helfen gesetzliche Änderungen zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter, wenn die Konsensfähigkeit der demokratischen Parteien bröckelt und die Richter*innenwahlen zunehmend politisiert werden. Denn auch dies hat die Reise in die USA uns deutlich gezeigt: Wir dürfen in Deutschland auf keinen Fall naiv sein und uns auf unserem aktuell gut funktionierenden, unabhängigem Justizsystem ausruhen. Wie unsere Gespräche gezeigt haben, ist dagegen das beste Mittel eine starke und gut vernetzte Zivilgesellschaft.
Wir müssen die Bedeutung des Rechtsstaats möglichst häufig und überall "unter die Leute bringen" – in Schulen, Vereinen, am Arbeitsplatz – und damit deutlich machen, was er im Alltag für jede und jeden bewirkt:
Dafür hier ein paar Punkte, was den "Rechtsstaat" ausmacht und was er für uns alle bedeutet:
Im Rechtsstaat gelten die Gesetze für alle – für Bürger*innen genauso wie für Behörden. Jeder Mensch hat das Recht, sich vor unabhängigen Gerichten gegen Unrecht zu wehren, insbesondere auch gegenüber dem Staat selbst.
Der Rechtsstaat schützt vor Willkür, garantiert Freiheit und sorgt auch dafür, dass Konflikte friedlich gelöst werden.
Der Rechtsstaat ist die Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben und Wohlstand. Ohne ihn droht Unsicherheit für alle. Denn Willkür kann immer jede und jeden treffen!
[1] vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/trump-abschiebungen-supreme-court-100.html
[2] https://www.zdfheute.de/politik/ausland/usa-donald-trump-gesetz-abschiebung-venezuela-gericht-100.html
[3] vgl. https://taz.de/Trumps-Angriff-auf-die-Justiz/!6077323
[4] https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/executive-order-trump-usa-kanzleien-susman-godfrey-linkedin
Mitte Juli – zu Beginn der sitzungsfreien Zeit – und damit direkt nach dem Debakel um die abgesagte Wahl der Bundesverfassungsrichter*innen, reisten mein Fraktionskollege Dr. Till Steffen und ich nach Washington D.C. und New York.
Anlass der Reise waren die jüngsten Entwicklungen in den USA im Bereich der Justiz, die uns auch in Deutschland Anlass zur Sorge geben sollten. Wenn in einer der ältesten Demokratien der Welt die unabhängige Justiz unter Druck gerät, müssen wir besonders wachsam sein. Wir beobachten in den USA, dass Politiker*innen Richter*innen diffamieren.[1] Gerichtsentscheidungen werden zum Teil delegitimiert oder bewusst ignoriert.[2] Neubesetzungen in der Justiz und im Justizministerium sollen erklärtermaßen jetzt nur noch mit politisch genehmen, „juristischen Kriegern“ erfolgen.[3] Missliebige Anwälte und Anwältinnen bzw. deren Kanzleien werden von der Regierung durch präsidiale Erlasse eingeschüchtert.[4]
Im Zuge der Reise konnten wir uns mit einer Vielzahl von spannenden Gesprächspartner*innen austauschen.
Wir trafen vier Kongressabgeordnete der Demokratischen Partei, die sich im Rechtsausschuss des House of Representatives mit Trumps Angriffen auf den Rechtsstaat beschäftigen (Steve Cohen, Mary Gay Scanlon, Dan Goldman, Becca Balint). Sie berichteten uns insbesondere von ihren Sorgen vor einer zunehmenden Politisierung der Justiz. Wir hatten die aus politischen Gründen gescheiterte Wahl der fachlich hochanerkannten Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf als Bundesverfassungsrichterin noch unmittelbar vor Augen. Auch schilderte gerade der langjährige Abgeordnete Steve Cohen, wie sehr sich das politische Klima in den USA unter Trump verschlechtert hat.
Ein konservativer Bundesrichter berichtete uns von den unmittelbaren Folgen polemischer Attacken von Trump und anderer republikanischer Politiker*innen auf ihn und seine Kolleg*innen: Sie erhalten anonyme Gewaltdrohungen. Der Richter selbst war nach Entscheidungen gegen Maßnahmen von Trump ins Visier geraten. Dennoch zeigte er sich optimistisch, dass die Justiz weiterhin Trumps schlimmste Ideen stoppen könne.
Wir trafen uns auch mit Vertreter*innen von verschiedenen anwaltlichen Berufsvereinigungen und mit Kanzleien, die von Trumps Einschüchterungsversuchen konkret betroffen sind. Einige betroffene Kanzleien sind daraufhin „Deals“ mit der Regierung eingegangen, andere haben erfolgreich dagegen geklagt. Uns machte zumindest Mut, dass die wehrhaften Kanzleien nunmehr deutliche Vorteile im Werben um Arbeitnehmer*innen haben und zum Teil auch Mandanten dazu gewannen. Wer will auch schon von einer Kanzlei vertreten werden, die in eigener Sache nicht kämpft, sondern einknickt?
Mit Vertreter*innen der NGOs „American Civil Liberties Union“ und „Democracy Forward“ diskutierten wir über strategische Klagen gegen politische Projekte der Trump Regierung als Mittel progressiven Widerstands. Mit der NGO „Society for the Rule of Law“ sprachen wir über die notwendige Bildungsarbeit im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Die „Society for the Rule of Law” ist ein Zusammenschluss konservativer Jurist*innen, die sich gegen Trumps Attacken auf die Justiz und den Rechtsstaat engagieren.
Durch unsere Reise in die USA konnten wir Parallelen zu Deutschland und Europa entdecken. So müssen wir auch innerhalb der Europäischen Union einen politischen Umgang mit den Angriffen auf rechtsstaatliche Prinzipien (wie zum Beispiel in Ungarn oder der Slowakei) finden. Auch in Deutschland helfen gesetzliche Änderungen zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts nicht weiter, wenn die Konsensfähigkeit der demokratischen Parteien bröckelt und die Richter*innenwahlen zunehmend politisiert werden. Denn auch dies hat die Reise in die USA uns deutlich gezeigt: Wir dürfen in Deutschland auf keinen Fall naiv sein und uns auf unserem aktuell gut funktionierenden, unabhängigem Justizsystem ausruhen. Wie unsere Gespräche gezeigt haben, ist dagegen das beste Mittel eine starke und gut vernetzte Zivilgesellschaft.
Wir müssen die Bedeutung des Rechtsstaats möglichst häufig und überall "unter die Leute bringen" – in Schulen, Vereinen, am Arbeitsplatz – und damit deutlich machen, was er im Alltag für jede und jeden bewirkt:
Dafür hier ein paar Punkte, was den "Rechtsstaat" ausmacht und was er für uns alle bedeutet:
Im Rechtsstaat gelten die Gesetze für alle – für Bürger*innen genauso wie für Behörden. Jeder Mensch hat das Recht, sich vor unabhängigen Gerichten gegen Unrecht zu wehren, insbesondere auch gegenüber dem Staat selbst.
Der Rechtsstaat schützt vor Willkür, garantiert Freiheit und sorgt auch dafür, dass Konflikte friedlich gelöst werden.
Der Rechtsstaat ist die Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben und Wohlstand. Ohne ihn droht Unsicherheit für alle. Denn Willkür kann immer jede und jeden treffen!